Liebe Kolleginnen und Kollegen,

schon 2003 beschäftigte man sich mit der Frage, ob Mails in Konfliktsituationen alles nur schlimmer machen:
Using Email to Resolve Conflicts Is a Reliable Way of Making Everything Worse 

Unsere Gesellschaft unterliegt einem massiven Spaltungspotential durch digitale Medien. Corona ist dazu noch besser geeignet als Brexit – das ein Land und seine Politik 3 Jahre lang lahmlegte.

Es ist grundsätzlich möglich, Konflikte per Mail zu lösen, aber es braucht sehr viel Imagination und Kenntnis des Gegenübers.

Hierzu ein paar Tipps (für wenn es wirklich nicht anders geht – konkret empfehle ich, dass ein paar Menschen in diesem Forum miteinander telefonieren/Zoomen/Skypen/Facetimen oder sich, mit entsprechender Vorsicht, zum Kaffee treffen):

Wenn Sie genug Erfahrung mit einer Person haben, um deren Reaktion auf die Kommunikation genau vorherzusagen, können Sie versuchen, das Gespräch per E-Mail zu führen. Wenn Sie die Person nicht gut kennen, sollten Sie die Bandbreite Ihrer Verbindung mit ihr erhöhen, also Telefon, Videotelefonie oder Treffen in Person.

1) Geben Sie Ihre Absicht vor dem Inhalt an. Sie können Abwehrreaktionen häufig abwehren, indem Sie mit Aussagen beginnen, die Ihre guten Absichten klar kommunizieren – oder sogar Ihre Befürchtungen über das mögliche Missverständnis Ihrer Kollegen vorwegnehmen.

2) Schreiben Sie Ihre E-Mail zweimal. Schreiben Sie das erste Mal für Inhalte – vermitteln Sie Ihre Botschaft ehrlich. Lesen Sie es dann langsam und stellen Sie sich das Gesicht der anderen Person vor. Dies wird sie für Sie humanisieren und Ihnen helfen, die starke Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass sie etwas anders auslegen, als Sie beabsichtigt haben. Versuchen Sie, sich auf den Stuhl der anderen Person zu setzen und darüber nachzudenken, wie sie sich an jedem Punkt Ihrer Nachricht fühlen könnte. Schreiben Sie es dann sicherheitshalber neu. Beeinträchtigen Sie den Inhalt nicht, indem Sie ihn beschönigen oder verwässern. Beachten Sie vielmehr die Stellen, an denen Ihre Absichten möglicherweise falsch interpretiert werde könnten und passen Sie sie an.

3) Wenn Sie sich getriggert fühlen (oder Sie merken, dass das Gegenüber getriggert sein könnte), erhöhen Sie die Bandbreite und greifen Sie zum Telefon, Videotelefonie oder ein Treffen.  In dem Moment, in dem Sie Emotionen in ihrer Antwort lesen oder selbst fühlen – wechseln Sie die Medien. Selbst bei einem Telefonanruf können Sie Nuancen in Ton, Stille und anderen Daten hören, die Ihnen helfen, Emotionen anzusprechen.

Die Versuchung, wenn Emotionen aufflammen, besteht darin auf die selbsttäuschende Sicherheit von E-Mails zu setzen. Aber täuschen Sie sich nicht. Wenn die Dinge mit E-Mails schlecht laufen, werden sie nie besser, wenn Sie so weitermachen.

Es ist möglich, sensible Themen zu behandeln, ohne Gesichter zu sehen, solange Sie sie sich genau vorstellen können wer und in welcher Verfassung Ihr/e Gegenüber ist/sind, und sich anstrengen diese Person und seine Reaktionen zu imaginieren. Wenn klar wird, dass Ihre Vorstellungskraft oder Ihre Interventionen unzureichend sind, nehmen Sie so schnell wie möglich Sichtkontakt auf – wenn schon ein Handschlag zurzeit selten möglich ist.

Herzliche Grüße in die Runde – ich lerne dankbar von allen Seiten

David Martin